Nachbearbeitung
Der
Look:
Der Look des Films sollte am Anfang möglichst
realistisch wirken. Je weiter die Handlung vorschreitet, desto mehr sollte
eine Mischform zwischen Realität und einem Comic-Look entstehen. Das
war von Sethna erwünscht, um zum einen sich dem Moorhuhndesign anzulehnen,
damit man leichter zwischen der Realitäts- und Computerebene wechseln
kann. Zum Anderen sollte dadurch das Charmante erhalten bleiben.
Allgemeines:
Wenn ein Film abgedreht ist, dann folgt natürlich die Nachbearbeitung.
Und die war bei "Stirb ganz langsam" extrem postlastig. D.h. die
Nachbearbeitung war sehr aufwendig. Die Vorbereitungszeit und die Produktion
haben ca. 2 Monate in Anspruch genommen, aber die Nachbearbeitung hat noch
einmal über 6 Monate gedauert.
Die Durchführung der Postproduktion war erst möglich, durch die
großzügige Bereitstellung der Geräte von VCC
Perfect Pictures. Ein herzliches Dankeschön noch mal an dieser Stelle.
Wie kommt es zu derart langen Nachbearbeitungszeiten? Nun ja, zuerst einmal
kommt:
Der
Schnitt:
Wenn der Film im Kasten ist, hat man erstmal eine ganze Menge von Rohmaterial,
das gesichtet werden muß. Für
die letztendlichen 8 Min. 45 Sek., die der Film lang geworden ist, wurden
ca. 2 Stunden Material gedreht. Ein spezieller Computer, um Filme digital
und non-linear schneiden zu können, ist der AVID. Dort wurde nun
Material von Zubin Sethna eingeladen und sortiert. Es folgt der Rohschnitt
und anschließend wird beim Feinschnitt ausgesäubert.
Der Film entsteht erst beim Schnitt und so kann man eine Geschichte ganz unterschiedlich
erzählen.
Nun war es Aufgabe bei "Stirb ganz langsam" gewesen, dem typischen
Hollywood-Actionkino nachzuempfinden. Das bedeutet, daß im ersten Teil
die Bilder ruhig und länger stehen können. Im actionreichen Teil
muß der Rhythmus und das Tempo allerdings angezogen werden. Je
näher das Ende rückt, um so mitreißender und schneller werden
die Schnitte. Da nachdem der Zuschauer begriffen hat, wie die virtuelle und
reale Welt zusammenhängt, keine wesentliche inhaltliche Steigerung mehr
folgt, wird durch den Schnitt dennoch ein Gefühl stetig steigener Spannung
vermittelt. Insgesamt kommen so 128 Schnitte in 8:45 Min. zustande.
Der Schnitt stand allerdings nach ca. einer Woche. Wieso hat die Nachbearbeitung
dann so lange gedauert?
Kommen wir zu einem wesentlich zeitintensiveren Unterfangen:
Die Computeranimationen:
Ca. 1/3 des Films sind durch Computeranimationen aufgewertet worden. Damit
die computergenerierten Elemente später in die Realszenen integriert
werden können, wurde sie von Matthias Klein mitentwickelt, überwacht
und durchgeführt. Den Visual-Effect-Supervisor (VFX) von Anfang an zu
integrieren ist zwingend notwendig, um abschätzen zu können welche
Möglichkeiten zur Verfügung stehen, wie der Kosten- und Zeitaufwand
einzuschätzen ist und um sich unnötige Arbeit bei der Postproduktion
zu ersparen, weil Dinge fehlen oder anders hätten angegangen werden müssen.
So überwachte Matthias Klein die Produktion, um direkt Vorort beraten
zu können.
Nachdem alles abgedreht war, ging es
auch in der 3D-Abteilung mit dem Programm "Maya" an die Arbeit:
Die Taube:
Da gibt es zu einem die Taube, die komplett 3D
animiert ist. Das 3D Modell wurde von Thomas Kutschera konstruiert und animiert.
Das Modell ist am Kopf, Schwanz und den Beinen voll beweglich. Aufgrund der
visuellen Auflösung des Films, war es nicht notwendig gewesen, der Taube
Flügel geben zu müssen, die voll funktionstüchtig sind.
Thomas Kutschera probierte verschiedene Wege, um das Gefieder möglichst
realistisch darzustellen. Angefangen von Mischtexturen bis zur Konstruktion
eines Art "Schuppengeflechts" wurden von Kutschera die Möglichkeiten
abtaxiert. Die Texturen für die Taube wurden übrigens anhand von
Aufnahmen einer Taubenzuchtausstellung erstellt.
Die
Abschüsse:
Die Abschüsse der Tauben in dem Film sind eine Mischung aus 2D- und 3D-Animationen.
So wurde von Kutschera und Klein allerhand technisch aufwendiger Schabernack
getrieben: Einstürtzende Schornsteine, überall explodierende Vögel,
viele fliegende Federn, abstürtzende Flugzeuge bis hin zu panisch flüchtenden
Tauben, die vom Zug überfahren werden. Ein amüsantes Sehvergnügen,
das viel Arbeit und Rechenzeit beinhaltet.
Das
Ohr:
Der sogenannte "Ohrshot" ist die Einführungssequenz in dem
Film "Stirb ganz langsam". Eine spektakuläre Kamerafahrt durch
den Gehörgang des Protagonisten Bruce W., weggezoomt von seinem Kopf
mit anschließender Kamerafahrt durch sein Appartement; und alles als
eine Kamerafahrt, ohne Schnitt. Das Besondere an diesem Schuß ist, daß
man keinen Übergang zwischen dem computeranimierten Ohr und dem realen
sehen kann. Der Gehörgang ist im Rechner von Matthias Klein erstellt
worden. Dabei wurde der Gehörgang länger gemacht, als es anatomisch
korrekt wäre, um eine längere "Durchflugszeit" zu haben.
Mit der realen Kamera wurde an das Ohr so nah rangegangen, wie es möglich
war. Dann wurde von dort aus die Kamerafahrt durch den Raum gemacht. Das erste
Bild (Frame) dieser Aufnahme, also bei dem die Kamera direkt am Kopf ist,
wurde eingefroren. In dieses Bild wurde hineingezoomt. Bei der späteren
Kamerafahrt wird dem entsprechend wieder langsam hinausgezoomt. Dabei wird
das 3D-Ohr mitgeführt und langsam ins reale Ohr überblendet. Wenn
die Kamerafahrt das erste Bild der realen Kamerafahrt erreicht, ist die Überblendung
vollzogen und wird von ihr "übernommen". Damit die gesamte
Fahrt so flüssig aussieht, ist viel Zeit notwendig. Trotzdem gelang es
Klein diesen Schuß in ca. 4 Tagen zu konstruieren.
Der
Big-Shot:
Die wohl beeindruckenste Fahrt in "Stirb
ganz langsam" ist der Flug durch den Raum, über die Pistole hinweg.
Allerdings auch die zeitintensivste und aufwendigste Einstellung. Dieser Schuß
ist komplett 3D-animiert. Alles was man in diesem Schuß sieht ist künstlich
und wurde im Rechner von Matthias Klein erstellt. Dafür mußte gut
2/3 des Raums, in dem die Handlung spielt, mit allen Einrichtungsgegenständen,
die Waffe und die Taube, realistisch nachgebaut werden. Allein das dauerte
gut drei Monate! Aber nun konnte man eine virtuelle Kamera frei durch den
Raum bewegen und zwar so nah an den Gegenständen, wie man wollte. Jedes
Bild brauchte später zwischen 20-30 Minuten, um berechnet zu werden.
Jede Sekunde enthält 25 Bilder und die Fahrt ist ca. 40 Sekunden lang.
An die Taschenrechner, fertig, los! Alles in
allem brauchte die 3D-Abteilung ca. 4 Monate, um die Animationen fertigstellen
zu können. Bleiben noch zwei Monate übrig:
Das Compositing:
Was ist Compositing?
Man stelle sich einen Overhead-Projektor
vor. Auf diesen legt man nach und nach Folien auf. Man "komponiert"
(engl.: to compose) ein Gesamtbild, das aus verschiedenen Ebenen besteht.
Auf dem "Flame", einem Spezialcomputer, können jetzt nicht
nur einzelne Bilder so erstellt werden, sondern eben auch bewegte Bilder,
Sequenzen. Diese Arbeit wurde von Andreas Hindrichkeit und Matthias Klein
übernommen. Die einzelnen Komponenten zusammenzuführen war nun die
Aufgabe. Und eine recht schwierige mit dazu. Denn es reicht nicht nur die
"Folien" übereinander zulegen. Man muß jede Ebene dahingehend
bearbeiten, daß beim fertigen "Gesamtbild", keine herausfällt
und den Eindruck zerstört es handele sich beim Gesamtbild nicht nur um
ein Bild.
Nehmen wir ein Beispiel:
Eine
Taube auf dem Fensterrahmen sitzend
Zuerst bekommt man die 3D-Komponente der Taube. Diese wird in auf dem real
gefilmten Hintergrund gesetzt. Nun muß die Taube aber auch noch so ins
Bild integriert werden, daß es aussieht, als würde sie tatsächlich
in dieser Umgebung sitzen. Dafür müssen Farbkorrekturen vorgenommen
werden, um die Ebenen anzugleichen, Schatten müssen erstellt werden,
Unschärfen und Bildrauschen müssen mit eingebaut werden. Man sieht
also, das Zusammenführen der Elemente ist eine aufwendige Sache. Zusätzlich
wurden auch 2D-Effekte, wie Schüsse, Blendenflecke, etc. am Flame erstellt
und eingebaut. Jeder der
128 Schnitte wurde digital am Flame nachbearbeitet.
Die ganze Zeit wurde von der Bildnachbearbeitung berichtet. Kommen wir doch mal zur anderen Seite:
Der
Ton:
Alles was in dem Film zu hören ist, ist nicht Realton. Zwar wurde auch
Ton beim Dreh mit aufgenommen, aber es wurde alles später nachvertont.
Dies bot sich bei "Stirb ganz langsam" an, da kein Dialog stattfindet.
Bis jetzt waren nur die Bilder da, aber nun wurden sie im Tonstudio mit Leben
gefüllt. Gero Goerlich, der Zauberer am Mischpult erstellte ein mitreißendes
Sounddesign und komponierte die Musik. "Stirb ganz langsam" hatte
schon so einige Spaßigkeiten bei den Bildern eingebaut, aber der Ton
unterstützt nicht nur diese, sondern schafft sich eine eigene Ebene,
um auch akustische Pointen zu erzählen. So wirkt der Ton so manches Mal
sarkastisch und skuril. Das erschreckte Taubenaufgurren ist übrigens
Goerlich und Sethna persönlich. Sowieso wurden ein Großteil der
Geräusche von Goerlich auch erstellt.
Das Sounddesign sticht vor allem bei so Szenen, wie dem "Big-Shot"
hervor. Dort wurde eine eigene
Klangwelt kreiert, die wahrlich mitreißt. Zusätzliche Räumlichkeit
erlangt der Ton, durch die spätere Dolby
Sourround Mischung durch Pierre Brand.